Als ich diesen Artikel begonnen habe, gab es noch keinen Krieg in der Ukraine. Ich beginne oft mit einer Idee und der Artikel entwickelt sich dann drum herum. Bei der erneuten Überarbeitung, wurde mir klar, wie wichtig mir gerade jetzt dieser Impuls ist.
Viele der Bauern und Bäuerinnen, die sich für Bauernhofpädagogik entscheiden, tun dies aus dem Bedürfnis heraus, die Realität der Landwirtschaft der Gesellschaft vor Augen zu führen. Anlässe können dabei die Erfahrungen mit den Lerninhalten aus der Schule, skurrile Begegnungen mit Spaziergängern am Feldrand oder Presseartikel und Fernsehbeiträge mit tendenziösen Berichten sein. Bei vielen Gespräche und auch im Podcast ist dies immer wieder deutlich geworden.
Andere wiederum haben in der Mensch-Tier-Begegnung einschneidendes erlebt und möchten Gäste oder Besucher daran Teilnehmen lassen.
Und wiederum andere wollen aus politischen Gründen Gesellschaft erreichen und ihre Botschaft vermitteln.
Um einen guten Start in diese Arbeit zu ermöglichen, gibt es verschiedene Weiterbildungen, die Konzepte genau so behandeln, wie Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Lehrplaneinbindungen. Zielgruppen der eigenen Angebote werden definiert, Maßnahmen zur Kundengewinnung erörtert und mit einem Konzept für Kindergeburtstag, Jahreszeitenwerkstatt oder Themenführungen geht es los.
Versteht mich bitte nicht falsch. All das hat seine Berechtigung und macht Sinn. Auch wir haben mit Klassenführungen angefangen, haben unsere Gäste befragt, mit Pädagogen gesprochen und den Austausch mit Gleichgesinnten gesucht.
Wir haben geforscht und uns gefragt warum die Begegnung nicht gelingt. Warum nicken die Köpfe und ein “das hab ich nicht gewusst” huscht über die Lippen. Und dann ist nach einer Woche wieder alles vergessen (wie es scheint)?
Mein Punkt ist ein anderer:
Nach unserer Erkenntnis liegt eines der Probleme in der Lehrer-Schüler-Beziehung. Dieses Wissensgefälle kennen wir alle noch aus der Schule oder den Tadelungen der Eltern. Das Problem: Der Bauer oder die Bäuerin weiß genau, was auf dem eigenen Hof richtig ist. Der Gast muss Fragen stellen, um die Zusammenhänge zu begreifen. Diese werden kompetent beantwortet und zusätzlich mit weiteren Informationen gespickt, die noch gar nicht gefragt sind.
Was meistens unterschätzt wird, ist die Vielfalt der Sinneseindrücke, die auf dem ersten Hofbesuch entstehen. Tausende von Fragen schwirren im Kopf des Gastes umher: Was ist hinter der Tür? Gibt es auch Katzen? Wo sind die Kühe und die Schweine? Geht es den Tieren gut? Bekommt der Hof Subventionen? Wieviel PS hat der Schlepper?…
Und wenn der Gast dann gefragt wird was ihn interessiert, dann platzt vielleicht die eine oder andere Frage von diesen Fragen heraus.
Wir haben ja in der Schule gelernt: Wenn du eine Frage bekommst, beantworte sie richtig. Und wenn du nach einer Frage gefragt wirst, dann ist deine Antwort eine Frage.
Olaf Keser-Wagner
Also los: Doch genau diese Antwortkultur fördert ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, fördert ein Beziehungsgefälle. Brauchen wir das? Ist das für gegenseitige Wertschätzung und zukünftige Zusammenarbeit anzustreben?
Wenn die Bauernhofpädagogik den Wert des Hofes, der Mensch-Tier-Begegnung und der Urproduktion als Raum für die persönliche Entwicklung des Gastes erkennt und fördert, wird Bauernhofpädagogik dienend für die Kunst der wertschätzenden Begegnung. Diese Arbeit ist gerade heute wichtig, um friedliche Begegnungen und ein Miteinander zu gestalten.
Dazu erscheint es in meinen Augen als sehr wichtig, dass nicht mehr in Konkurrenzdenken verfallen wird, sondern gegenseitige Förderung stattfindet.
Vernetzung, Wertschätzung, gemeinsames miteinander und voneinander lernen sind meine Wünsche für eine friedliche Zukunft.
Olaf Keser-Wagner
Bezogen auf Weiterbildungen in der Bauernhofpädagogik bedeutet dies eine Stärkung der eigenen Kompetenzen in der Entwicklung von Begegnung auf Augenhöhe und in der Begleitung der Gäste in ihren eigenen Fragestellung.