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Wir Erwachsene fragen oft nach Zahlen und Werten. Saint-Exupery schilderte diese Eigenart eindrücklich in der Einleitung zum Kleinen Prinzen. Doch kennen wir diese auch?

In unserer „Wissensgesellschaft“ werfen wir mit Zahlen um uns und meinen, damit die Dimensionen erkannt zu haben oder die Ausmaße zu kennen. Im Rahmen der Führungen auf den Betrieben entdecken wir immer wieder solche Phänomene und sind dann oft überrascht, wenn wir diese in eine echte Wahrnehmung bringen.

So geschah es auch in den vergangenen Tagen wieder. Wir waren zu Gast auf dem Kartoffel- und Eier-Betrieb Hof Burmeister in Wakendorf bei Bad Oldesloe. Im Rahmen der Führung kamen wir auch in die Abstellkammer vor dem Hühnerstall. Dort lauschten wir dem Gurren der Legehennen und versuchten zu ergründen, wie viele Tiere wohl im Stall auf der anderen Seite der Wand wären. Und als deutlich wurde, dass das Gurren nicht nur in dem Raum parallel zur Kammer entstand, sondern auch noch weiter ging, öffneten wir die Türe, um dort erstaunt festzustellen, dass sich eine ganze Halle mit ca. 50m Länge anschloss. Jetzt tauchten Fragen auf: Wieviele Hühner hat wohl der Betrieb? Wie alt wird eigentlich ein Huhn und wie viele Eier legt es im Jahr?

Die Kunst besteht nun darin, diese Fragen zu vertiefen – sie Wirksamkeit entwickeln zu lassen und brennenden Fragen reifen zu lassen. Wiebke, die Bäuerin, hatte die Antwort schon auf der Zunge und wollte die Zahlen nennen. Wir haben das dann ausgebremst und erstmal nach den Vorstellungen gefragt, die die erwachsene Teilnehmerin davon hatte. „Ein Huhn sollte doch älter als ein Jahr werden“ sagte sie. Und bei der Einschätzung der Legeleistung formulierte sie „Vielleicht 1000 Eier im Jahr?“ Wir haben uns getraut, diese Frage stehen zu lassen und dazu aufgefordert, sie am Ende der Führung nochmal zu stellen, falls sie dann noch aktuell ist.

Die Reise über den Hof führte uns zu den Kartoffeln und über die großen Hofflächen. Dort wurde die kurze Frage gestellt, wieviel Hektar Kartoffeln denn der Betrieb anbaue. “220 Hektar“ war die schnelle Antwort, noch bevor wir hinterfragen konnten, wie groß eigentlich ein Hektar ist. Als wir diese Frage hinzustellten, kam die Antwort: „100 m²“ … und es lag schon ein leiser Zweifel in der Stimme des Fragenden.

Zwei Zahlen, die typisch sind für die mangelnde Erfahrung mit den Größenordnungen eines landwirtschaftlichen Betriebes. Die Hektar konnten wir gut auflösen, in dem wir die Maschinenhalle anschauten: 16 Tore mit jeweils ca. 4 m Breite. Zwischen den Toren etwa 2m Mauerstücke. Das ergibt 16X6 m = 96 m- Diese Hallenlänge ins Quadrat ist 1 Hektar = 10.000 m². Doch 220 Hallen dieser Länge hintereinander und eine Hallenbreite ist nach wie vor unvorstellbar. Das ist an dieser Zahl das Problem. Vielleicht schaffst Du es, dir 30 oder 40 Hallen vorzustellen. Mehr wird dann schon nicht mehr für das menschliche Auge erfassbar.

Bei der Legeleistung der Hennen zeigte sich am Ende, als wir reflektierten, was wir gesehen und erfahren hatten, dass die Frage noch brennend war. Das Aushalten der Frage zu erleben ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Aspekt, um zu prüfen, ob das Interesse an der Sache überhaupt vorhanden ist. Die Antwort von Wiebke auf die wiederholt gestellte Frage lautete: „Unsere Hühner haben eine Legeleistung von 92%“ – das bedeute: an 100 Tagen werden 92 Eier je Huhn gelegt. Im Jahr also 335 Eier. Das Aushalten der Frage führt aber auch dazu, dass nun eine ganze Reihe von weiteren Fragen entstehen: Wie lange bleibt ein Huhn auf dem Betrieb? Wird es nach dem Jahr geschlachtet? Was kostet eine Legehenne im Einkauf? Was bringt sie beim Schlachter? Was kostet ein Ei im Verkauf vom Hof zum Lebensmittelhändler?

Es reicht in vielen Fällen aus, nur einzelne dieser Zahlen zu nennen. Denn diese Zahlen wirken so abstrakt und lassen sich nur schwer mit der Erfahrung füllen. Am Ende des Tages wird deutlich: Ein Huhn kostet 7 € Einkauf und bringt nur wenige Cent beim Verkauf an den Schlachter – falls überhaupt. Suppenhühner werden nicht mehr so oft gekauft. Bei einem Eierpreis zwischen 10-18 Cent je Ei und einer Legeleistung von 335 Eiern im Jahr ergibt sich im Minimum ein Betrag von 33,58 € je Huhn, für die Fütterung, die Stallhülle, die Sortierung und Abpackung, den Versand, das Marketing etc. Keine große Spanne, um große Gewinne zu machen.

Wenn man den Hof sieht, mit all seinen großen Hallen, Maschinen und vor allem den Mitarbeitenden, dann wird deutlich, dass unsere Vorstellung vom reichen Bauern und Gutsherr gehörig Korrekturen benötigt. Auch wenn wir nicht alle Zahlen kennengelernt haben: Die Auseinandersetzung mit derartigen Grundgrößen ist nicht nur für SchülerInnen interessant, sondern auch gerade für uns erwachsene.